Neulich am Postschalter

Ich stehe in der Schlange bei der Post. Nichts ungewöhnliches, ich werde wohl nie herausfinden wann denn eigentlich niemand am Postschalter ansteht. Außerdem ist es ja meistens seeehr unterhaltend. Auch wenn ich mich strikt an die „gelbe Abgrenzung“ (zwecks Privatsphäre) halte, bekommt man doch meistens einen ordentlichen Teil von den Leuten am Schalter mit.

So auch diesmal. Am Schalter regt sich ein Mann in gebrochenem Deutsch über irgendetwas auf, was ich leider verpasst habe.
Die Postschalter-Frau, ich nenne sie jetzt mal einfach Christel, steht stoisch hinter ihrem Schalter und lässt den Mann reden. Der Typ regt sich immer mehr auf. Christel zuckt unbeteiligt mit den Schultern. Es sieht fast so aus als lausche sie einer für andere nicht hörbaren Melodie in ihrem Kopf.

Mann
ARRRGLLL! Das kann doch nicht wahr sein. Ich möchte bitte Ihren Supervisor … ähhh … ihren … ähh … Chef sprechen.
Christel
Hier gibt es keinen Chef!

Mit einigen weiteren Achselzucken versucht sie scheinbar den Kunden zu beruhigen. Die Technik versagt kläglich.

Einige Wortgefechte später:

Christel
(Seufzend) Moment, mal. Ich hab da was anderes.

Sie geht nach hinten und kommt mit einem Zettel zurück. Ich nehme stark an, dass es sich um ein Beschwerdeformular handelt. Der Typ lässt einen Stoßseufzer ab, sieht endlich ein dass er bei Christel auch nicht mehr Chancen hat, als bei einem Call-Center-Automaten und verschwindet leise vor sich hin fluchend.

Jetzt ist nur noch eine ältere Dame vor mir. Sie will Geld abheben. Na, denke ich, das geht jetzt bestimmt ganz schnell.

Christel
Ihr Personalausweis ist abgelaufen!

Die ältere Dame reagiert nicht.

Christel
Ihr Personalausweis ist abgelaufen!
ältere Dame
Hach! Tatsächlich … (sie schaut auf ihren Ausweis) … im letzten Monat. Haha, das kann man in meinem Alter schon mal vergessen.
Christel
Ich kann Ihnen kein Geld auszahlen.
ältere Dame
Hmm? Wieso?
Christel
Ihr Personalausweis ist abgelaufen!
ältere Dame
Aber das bin doch ich. Und der ist erst letzten Monat abgelaufen.
Christel
(deutlich sprechend) Ich kann Ihnen kein Geld auszahlen.
ältere Dame
(wird langsam nervös) Ja, aber wie komme ich denn jetzt an mein Geld?
Christel
(ihre Stimme erinnert mich an stark an eine Roboterstimme) G-e-h-e-n S-i-e a-n d-e-n G-e-l-d-a-u-t-o-m-a-t-e-n.
ältere Dame
(noch etwas nervöser) Den Automaten? Da habe ich noch nie Geld abgehoben. Ich vergesse immer diese Nummer und ich habe doch genug Zeit. Ich habe doch immer das Geld hier am Schalter abgehoben. Ich komme hier doch jeden Monat her.

Einige Wiederholungen später (ich habe mir mittlerweile einen Stuhl gewünscht, um die Wartezeit erträglicher zu gestalten):

Christel
Sie benötigen einen gültigen Personalausweis, um bei mir Geld abzuheben.
ältere Dame
Ja, das dauert doch bis ich den verlängert habe. Was mache ich denn so lange ohne Geld? Das ist mir ja noch nie passiert. Nur weil mein Ausweis … einen Monat abgelaufen … ich bin doch kein Verbrecher …

Völlig verwirrt und Unverständnis-murmelnd zieht die ältere Dame unverrichteter Dinge von dannen.
Da wünscht man sich doch manchmal einen Computer als Bedienung. Der reagiert zwar genauso wie Christel. Aber wenigstens erwartet man da auch nicht mehr.

2 Kommentare zu „Neulich am Postschalter“

  1. aaah und dann? Als Du dann endlich an der Reihe warst? Den Ausgang der Geschichte würde der geneigte Leser doch jetzt auch gerne noch wissen!!! Das war dann bestimmt so peinlich, dass du dich nicht traust, es aufzuschreiben. Gibs zu. Du wolltest eine Briefmarke kaufen und Christel hat Dich nach Deinem Briefmarkenkauf-Berechtigungsschein gefragt, den Annabelle Dir natürlich nicht mitgegeben hatte. ROFL.

    Aber die ältere Dame kann einem ja echt leid tun. Meine Güte… Vermutlich hat Christel sie für eine Taliban-Trickbetrügerin gehalten, die einer alten Dame das Konto ausräubern will. Unglaublich.

  2. Nein, mich hat Christel an ihre Kollegin weiter verwiesen. Da war natürlich auch eine Schlange.
    Die Kollegin meinte dann lapidar als ich mich so durchgestanden hatte: „Dazu müssen wir einen Termin vereinbaren! Ich muss jetzt leider weg.“
    Dann lief sie aber noch kurz zu ihrem (dem dritten) Kollegen und der hat mich dann freundlicherweise behandelt.
    Und ich musste mich nicht mal anstellen. Allerdings spürte ich die messerscharfen Blicke der Wartenden in meinem Rücken, als ich so an der Schlange vorbeizog.
    Ach ja. Die eigentliche Sache war dann in 2 Minuten erledigt. ARRRRGLLLLL

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